„Meine Frau, eine gute Flasche Gin, 1000 Bücher auf dem Kindle und eine Kiste mit guten Zigarren“
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Schloss Hohenwehrda ganze Schule


Jörg Müller, Internats- und Schulleiter, im Interview mit der Klasse 10 R

Im Deutschunterricht bereitet sich die Klasse 10 R des Lietz Internats Schloss Hohenwehrda auf die Zentrale Abschluss-Arbeit Ende Mai vor. Neben Lyrik, Epik, Sachtexten, sprachliche Mittel, Grammatik und Rechtschreibung geht es auch um Textsorten wie Reportage und Interview.

Jörg Müller, Internats- und Schulleiter von Schloss Hohenwehrda, stellte sich den Fragen der Klasse 10 R.

Nico: Wenn Sie Kanzler wären, was würden Sie als Erstes am deutschen Schulsystem ändern?
Jörg Müller: Ich würde als erste Maßnahme das Beamtentum bei Lehrern abschaffen.  

Paul: Wie und wo bauen Sie am besten Stress ab?
Jörg Müller: Negativen Stress gibt es bei mir eigentlich nicht. Meine Arbeit macht mir viel Freude, und ich frage mich eher, wie ich alles Anstehende bis 23 Uhr unterbekomme. Aber mit aufreibendem Stress hat das nichts zu tun.

Alessandro: Hatten Sie noch andere Ideen, was Sie beruflich tun wollten?
Jörg Müller: Nein, ich hatte mich schon früh mit elf oder zwölf Jahren entschlossen, Lehrer werden zu wollen. Denn ich hatte schlechte Lehrer und dachte: „Das geht sicher besser.“ Später und nach vielen Reisen hatte ich dann das Gefühl, dass ich sicher auch als General Manager eines Grand Hotels erfolgreich gewesen wäre.

Luca/Philipp: Wie haben Sie sich das Leben als Internatsleiter auf Schloss Hohenwehrda vorgestellt? Warum wollten Sie ausgerechnet nach Schloss Hohenwehrda kommen?
Jörg Müller: Ich wusste, es wird sicher anstrengend. Von Schloss Hohenwehrda war ich dann sehr positiv überrascht. Ich arbeite seit mehr als 30 Jahren in Internaten, 20 Jahre davon in führender Position. In Schloss Neubeuern, das meine Frau und ich bis letztes Jahr geleitet hatten, gab es Veränderungen auf Aufsichtsratsebene, die wir so nicht mittragen wollten. Dabei ging es uns vor allem um Werte, um den Umgang mit Menschen und um Achtsamkeit. Durch freundschaftliche Kontakte zu Burkhard Werner, dem Leiter von Haubinda, erfuhren wir, dass Schloss Hohenwehrda eine neue Leitung sucht. Nach sehr guten Gesprächen mit Schülern, Lehrern und anderen Mitarbeitern in Hohenwehrda haben wir uns dann schnell entschieden.

Nico: Was macht für Sie eine gute Führungsperson aus?
Jörg Müller: Ich bin kein Freund von Hierarchien, wichtig sind gemeinsame Ziele. Guter Führungsstil sollte partizipatorisch sein. Es bringt nichts, jemandem zu sagen, du machst das jetzt so, weil ich das will und ich Dein Chef bin. Unsere Arbeit ist wunderbar sinnstiftend, jeder Mitarbeiter sollte wissen, wofür er arbeitet und was das gemeinsame Ziel ist – ganz gleich ob Lehrer, Reinigungskräfte, Hausmeister oder Köche. Und Vorbild zu sein ist wichtig. Ich kann doch von meinen Mitarbeitern nicht verlangen, dass sie immer verfügbar sind, wenn ich selbst nur von neun bis vier arbeite. Also versuchen meine Frau und ich, mit gutem Beispiel voranzugehen.

Nico: Was benötigen Kinder von außen in der Selbstfindungsphase?
Jörg Müller: Sie brauchen Verständnis, Zuwendung und auch klare Strukturen und Konsequenzen.

Emmily: Ist Ihnen eine schülernahe Beziehung wichtig?
Jörg Müller: Ja, sehr. Da wir mit euch zusammenleben, ist das schon wichtig; allerdings ist es für die Erwachsenen auch wichtig, eine gewisse professionelle Distanz zu wahren. Unsere Schüler müssen aber zu jeder Zeit spüren können, dass alle Erwachsenen, die mit ihnen leben und arbeiten, wollen, dass sie glücklich und erfolgreich sind. Ohne eine funktionierende Beziehungsebene sind Lernprozesse eben kaum möglich.

Frederik: Wie ist Ihre Meinung zum Thema Nachhaltigkeit?
Jörg Müller: Das ist ein zentrales Thema auf der Welt und eines der nächsten Themen auf unserer ToDo-Liste. Dazu gehört auch ganz zentral ein kritischer Blick auf die Ernährung: weniger Fleisch, mehr vegetarisches Essen, nicht zuletzt wegen des enorm großen CO2-Footprints bei der Fleischproduktion.

Emmily/Haris: Ist Ihnen eine gute Fleischqualität beim Internatsessen wichtig? Oder gibt es Ersatz für das Fleisch?
Jörg Müller: Auf Schloss Hohenwehrda wird ganz sicher deutlich zu viel Fleisch gegessen. Außerdem ist die Qualität des Fleisches zum Teil nicht immer so, wie sie sein sollte. Wir steigen da gerade in einen Prozess ein, der zu Verbesserungen in dem Bereich führen soll. Ein Ansatz dabei könnte sein, dass eine der beiden Hauptmahlzeiten jeden Tag vegetarisch ist.

Haris: Es gibt immer wieder Nachfragen zur „kalten Platte“ am Abend. Was möchten Sie bei diesem Thema ändern?
Jörg Müller: Die kalte Platte macht mich persönlich auch nicht besonders glücklich. Da sind unser Küchenchef Steffen Preuß und ich aber schon im Gespräch.  

Paul: Haben Ihre Kinder eine staatliche Schule besucht oder gingen sie auf ein Internat?
Jörg Müller: Unsere Kinder sind beide mehr oder weniger im Internat geboren und aufgewachsen, aber als meine Frau und ich bei einer Unternehmensberatung arbeiteten und in München wohnten, gingen unsere Kinder auf ein staatliches Gymnasium. Dort waren dann eben 31 Kinder in der Klasse. Als unser jüngerer Sohn verstanden hatte, wie es in der staatlichen Schule so läuft, hatte er schon vier Fünfen und musste die 8. Klasse wiederholen. Im nächsten Jahr wusste er dann, was zu tun war und kam gut klar. In der neunten Klasse wechselte er dann gemeinsam mit uns wieder ins Internat.

Alessandro: Wie sieht Ihre ideale Pädagogik aus? 
Jörg Müller: Man muss Kinder und Jugendliche einerseits individuell betrachten und ihnen Freiraum zur Selbstfindung lassen, gleichzeitig müssen sie aber lernen, als Teil einer Gemeinschaft zu leben und achtsam miteinander umzugehen. Dazu gehört auch die Erfahrung, dass Gemeinwohl vor Individualwohl geht. Auf jeden Fall sollten wir als Erwachsene ihnen immer wertschätzend und respektvoll begegnen.

Emmily/Luca: Haben Sie Schule in Ihrer Jugend gemocht? Und welches waren Ihre Lieblingsfächer?
Jörg Müller: Ich war kein fleißiger Schüler. Ich mochte Englisch und Sport, also die Fächer, die ich später studierte, aber auch Mathematik. Im Allgemeinen war ich kein besonders guter Schüler, da ich immer nur das tat, was eben für das Bestehen des Abiturs nötig war. Wahrscheinlich sollte ich das nicht wirklich in einer Schulklasse erzählen, aber ich war schulisch eher minimalistisch, da ich so viel Zeit auf Sport und Musik verwendete.

Haris: Was unternehmen Sie gegen Mobbing und Ausgrenzung?
Jörg Müller: Beim Mobbing werden ganz klar rote Linien überschritten. In einer Gemeinschaft wie unserer sollte jeder mithelfen und eingreifen, keiner darf wegschauen. Gewalt jedweder Art muss zu klaren disziplinarischen Konsequenzen führen.

Philipp/Alessandro: Gibt es etwas, was Sie ändern wollen, aber nicht können? Etwas, das Sie stört?
Jörg Müller: Nein, alles kann geändert werden, wenn die Argumente gut genug sind. Es gibt nichts, was mich wirklich stört. Aber manche Dinge können wir sicher noch besser machen.

Philipp: Was werden Sie in Zukunft in Hohenwehrda ändern?
Jörg Müller: Wir werden die Digitalisierung fest im Unterricht verankern. Office365 ist ausgerollt, im Unterricht wird zukünftig zunehmend mit Microsoft Teams und OneNote gearbeitet werden. In den Faschingsferien wird vorbereitet, dass jeder Schüler sein eigenes Tablet bekommt. Die Tablets werden mit digitalen Stiften ausgestattet, damit auch das handschriftliche Arbeiten nicht zu kurz kommt.  Für unsere Lehrer gibt es natürlich Fortbildungsveranstaltungen für diese Themen. Wir reden hier über einen Paradigmenwechsel, der ganz sicher einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

Frederik: Würden Sie etwas am Unterricht in Hohenwehrda ändern?
Jörg Müller: Ich habe leider bisher nicht die Zeit gehabt, ausreichend zu hospitieren. Ich werde die nächsten Monate aber auch nutzen, um mir ein detailliertes Bild von unserer Unterrichtsqualität zu machen und dann zu analysieren, welche Baustellen es in diesem Bereich noch gibt.

Haris: Das Leben auf Schloss Hohenwehrda in wenigen Worten?
Jörg Müller: Intensiv, emotional, gemeinschaftlich und spannend.

Luca: Wo sehen Sie Schloss Hohenwehrda in fünf Jahren?
Jörg Müller: Komplett digitalisiert, auch in der Unternehmensorganisation. Und mit einer hohen Nachfrage und stabilen Belegung mit Schülern, die uns ausreichende Investitionen in die Zukunft erlaubt.

Haris: Wenn die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, was würden Sie als Erstes umsetzen?
Jörg Müller: Das lange geplante Wehrdahaus II mit zwei Klassenräumen, einer Pädagogenwohnung und zehn zusätzlichen Schülerplätzen wäre ein ganz wichtiger Schritt, den wir möglichst schon im kommenden Jahr gehen sollten.

Vincent: Was denken Sie über die Idee, dass in Hohenwehrda nur Englisch gesprochen werden soll?
Jörg Müller: Bei steigenden Schülerzahlen im internationalen Bereich wird Englisch als Verkehrssprache im Internat wieder mehr Bedeutung bekommen. Ich könnte mir allerdings auch vorstellen, dass wir zukünftig bilingual unterrichten werden und manche Fächer wie Geographie, Geschichte und Biologie dann auf Englisch unterrichtet werden.

Vincent: Wie fänden Sie die Idee einer internationalen Phase in Hohenwehrda, wie in Bieberstein die E-International?
Jörg Müller: Schwer vorstellbar, da wir in Hohenwehrda jüngere Schüler haben als auf Bieberstein. Ich finde E-International ein sehr interessantes Angebot, das jedoch recht hohe Anforderungen an Selbstorganisation und Motivation der Teilnehmer stellt und nicht für jeden Schüler geeignet ist.

Vincent: Wäre es auf Hohenwehrda möglich, Geld zu verdienen wie zum Beispiel durch die Mitarbeit in Projekten wie im Dorfladen in Haubinda?
Jörg Müller: Ja, theoretisch wäre das schon möglich. Dass wir hier in Wehrda einen Laden eröffnen, der maßgeblich von Schülern betrieben wird wie in Haubinda, kann ich mir aber derzeit nur schwer vorstellen. Da müsste ja dann schon fast jeder Schüler mit anpacken.

Frederik: Wenn Sie jetzt noch einmal 21 Jahre alt wären – was würden Sie nachholen?
Jörg Müller: Ich würde zumindest ein Jahr lang „work-and-travel“ einschieben und die Welt bereisen. Jugendliche haben heute sehr viel bessere Möglichkeiten, die Welt zu erkunden. Meine Nichte, die einige Jahre sehr frei und ungebunden im Ausland lebte und arbeitete, ist in der Beziehung mein Vorbild.

Frederik: Worauf sind Sie am stolzesten in Ihrem Leben?
Jörg Müller: Auf unsere Kinder und unsere Enkeltochter.

Emmily: Sie dürfen vier Dinge mit auf eine einsame Insel nehmen – welche sind das?
Jörg Müller: Meine Frau, meinen Kindle gefüllt mit 1.000 Büchern, eine gute Flasche Gin und eine Kiste mit guten Zigarren.

Paul: Sie haben einen Wunsch frei, welcher wäre das?
Jörg Müller: Gesundheit für meine Familie und mich.

Luca: Wie würden Sie sich in drei Worten beschreiben?
Jörg Müller: Begeisterungsfähig, ungeduldig, kreativ.







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