Hohe Töne in der Baggerschaufel und auf dem Motorrad
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Schloss Hohenwehrda Musik


Opernsängerin Christina Rümann: Die „Königin der Nacht" unterrichtet Musik am Lietz Internat Schloss Hohenwehrda.

Die Sopranistin Christina Rümann lebt mit ihrer Familie in Kalbach im Landkreis Fulda, unterrichtet seit diesem Schuljahr am Lietz Internat Schloss Hohenwehrda Musik und verantwortet den Themenschwerpunkt „Tasten und Töne“ sowie die musikalische Förderung des Internats im Haunetal. Christina Rümann war festes Ensemblemitglied an den Theatern Erfurt und Dortmund und seit 2011 freiberuflich tätig. Sie wurde in Fulda geboren, erhielt mit fünf Jahren Unterricht am Klavier, mit 15 Jahren dann ihren ersten Gesangsunterricht. Sie wirkte in verschiedenen regionalen Ensembles mit und erhielt 1994 den Förderpreis der Städtischen Sparkasse Fulda. Nach ihrem Abitur studierte sie von 1995 bis 2000 Gymnasiallehramt mit den Fächern Musik und Geschichte in Köln.

Frau Rümann, Sie sind die „Königin der Nacht“ in Mozarts Oper „Die Zauberflöte“: Was verbinden Sie persönlich mit der Rolle der „Königin“ und welche besonderen Anforderungen stellt dieser Part an Sie als Koloratursopranistin?

Christina Rümann: Ich habe die Arie der Königin der Nacht das erste Mal in einer Produktion der Kölner Musikhochschule gesungen, unter anderem mit Professor Hans Sotin als Sarastro, und seitdem hat mich diese Partie nicht mehr losgelassen. Bisher habe ich fast 200 Vorstellungen in über zehn verschiedenen Produktionen gesungen. Einerseits ist das ein Segen, da ich mit dieser Partie an vielen großen Häusern in Deutschland, Österreich, Schweiz und den Niederlanden gastieren konnte und so viele wunderbare Städte und Kollegen kennenlernen durfte. Andererseits ist man dann schnell auch auf diese Rolle festgelegt und wird nur selten für etwas anderes engagiert – es sei denn, man ist gerade fest an einem Theater angestellt.

Wenn man die technischen Hürden dieser Partie einmal überwunden hat, macht es sehr viel Spaß die oft böse charakterisierte Königin zu singen und spielen.

Man hat zwar nur drei Auftritte (zwei Arien und ein Ensemble), aber diese knapp 15 Minuten haben es in sich. Jeder im Saal wartet auf diese Arien und fiebert den hohen Tönen (dreigestrichenes f, das ist eine Quarte über dem berühmten hohen c) entgegen. Höhenangst sollte man auf jeden Fall keine haben. Das gilt übrigens nicht nur im übertragenen Sinne, da die Königin gerne von oben einschwebt…

Mozarts „Zauberflöte“ – worin liegt für Sie der Reiz?

Christina Rümann: Die Zauberflöte ist weit mehr als die reine „Märchenoper“, die viele damit verbinden. Die Entwicklung der einzelnen Protagonisten ist sehr widersprüchlich. Wie kommt es z.B., dass jemand, der einer Mutter das Kind raubt, am Ende verehrt wird als der große Heilsbringer? Aber gerade diese Widersprüche machen diese Oper so interessant.

Musikalisch gesehen strotzt die Zauberflöte nur so von Ohrwürmern, die einen oft noch über den Besuch der Oper tagelang begleiten.

Und trotzdem wird diese Musik nie langweilig. Obwohl ich nun schon so viele Vorstellungen gesungen habe, überkommt mich jedes Mal mit dem Erklingen der Ouvertüre eine große Vorfreude. Das ist wohl auch der Grund für den unglaublichen Erfolg der meistgespielten Oper der Welt.

Und welches ist Ihre Lieblingskomposition, welches Ihre Lieblingsrolle?

Christina Rümann: Von den Partien, die ich schon singen durfte, ist meine Lieblingsrolle „Lucia di Lammermoor“ aus Donizettis gleichnamiger Oper. Hier ist die Entwicklung der Hauptfigur wesentlich feiner. Lucia entwickelt sich von einem liebenden Mädchen in eine Wahnsinnige, die aus Verzweiflung ihren Ehemann, mit dem sie zwangsverheiratet wurde, noch in der Hochzeitsnacht ersticht. Großes Drama also, wobei Lucia dabei die wunderbarsten Arien und Ensembles singen darf. Der Schluss der Oper gehört allerdings dem Tenor, bei dessen Abschiedsarie mit Solocello mir jedes Mal die Tränen kamen.

Sie haben als Koloratursopranistin bei einem Open Air auf einem Motorrad gesungen und im Flughafen in Erfurt: Welche Location favorisieren Sie?

Christina Rümann: Die Motorradszene war in einem Steinbruch und zum Glück musste ich nicht selber fahren. Die Jungs von der Motorrad-„Gang“ waren dann auch wegen des einsetzenden Regens in sehr moderatem Tempo unterwegs – da ich keinen Helm trug, habe ich mich dann auch etwas sicherer gefühlt. Für das Publikum beeindruckend war auf jeden Fall auch die Szene in einer Baggerschaufel bei den Erfurter Domstufenfestspielen, wobei das schauspielerisch dann natürlich keine Herausforderung mehr war.

Auch wenn Theater oft die bessere Akustik für Sänger haben, so sind es doch die Open-Air-Produktionen, die dann am meisten in Erinnerung bleiben. Meine liebste Zauberflöte durfte ich bei den Schlossfestspielen in Schwerin singen, im Hintergrund war das wunderschöne Schweriner Schloss angestrahlt und von Pferden und Hunden war alles dabei. Und mein Kostüm war das größte, was ich jemals hatte. Ein wunderschönes Theater-Kleinod habe ich in Montepulciano in der Toskana entdeckt. Bei einem Meisterkurs haben wir in dem kleinen Theater ein Konzert gesungen. Von der Optik her war das wie die Mailänder Scala in klein. Sehr familiär.

Bitte eine spontane Antwort: Sie stehen auf dem Domplatz in Fulda und dürften wählen: Mit welchem Stück, egal welcher Gattung, überraschen Sie die Gäste?

Christina Rümann: Bei einer Operngala singe ich dann sehr gerne die Arie „Glitter and be gay“ aus „Candide“ von Leonard Bernstein. Im Bereich Konzert gibt es ein tolles Konzert für Koloratursopran und Orchester von Glière.

Steinbruch, Flughafen und Motorrad sind abgehakt - wo und wen möchten Sie noch singen – nennen Sie uns bitte Ihren geheimen Wunsch?

Christina Rümann: Schon im Studium habe ich davon geträumt irgendwann einmal die Violetta aus Verdis „La Traviata“ zu singen. Die Arie habe ich schon mit Orchester gemacht, aber die ganze Partie wäre ein Traum. Letztendlich ist es für eine Sängerin wichtig überhaupt auftreten zu können. Der Ort ist dabei sekundär.

Sie arbeiten heute als Musiklehrerin im Lietz-Internat Schloss Hohenwehrda – hilft Ihnen bei der pädagogischen Arbeit mit Jugendlichen Ihre Popularität, Ihre Erfahrung auf der Bühne?

Christina Rümann: Zunächst einmal hoffe ich sehr, dass ich die Schülerinnen und Schüler mit meiner Opernvergangenheit nicht allzu sehr verschrecke. Wer mich heute erlebt, kann wahrscheinlich nicht glauben, dass ich früher total schüchtern und mündlich im Unterricht mehr als zurückhaltend war. Erst das Singen (zunächst im Schulchor und später dann solistisch) hat mir das Selbstbewusstsein verschafft, mich vor eine Gruppe stellen zu können. Der Sängerberuf ist im Übrigen verbunden mit einer ständigen Kritik. Für jede Rolle muss man sich neu bei Vorsingen präsentieren, die Regisseure und musikalischen Leiter sind es gewohnt ihren Willen zu bekommen. Von daher bin ich auf die – hoffentlich konstruktive - Kritik meiner SchülerInnen einigermaßen vorbereitet. Außerdem ist man nie fertig mit dem Ende der Berufsausbildung, sondern lernt täglich mit neuen Situationen umzugehen. Auch die stimmliche Weiterbildung hört nie auf. Die meisten SängerInnen gehen noch bis zum Ende ihrer Karriere weiter zum Gesangsunterricht. Mit der Stelle als Musiklehrerin auf Schloss Hohenwehrda beginnt für mich ein spannender neuer Lebensabschnitt, bei dem ich jeden Tag Neues dazulerne und mich dabei auch persönlich weiterentwickeln kann. Ich wünsche mir sehr, dass ich die Freude, die ich beim Musizieren und Musikhören empfinde, auch meinen SchülerInnen vermitteln kann.

Welche Musik hört Christina Rümann privat?

Christina Rümann: Tatsächlich höre ich auf meinen Fahrten nach Hohenwehrda im Autoradio eher Nachrichten als Musik. Jetzt zur Weihnachtszeit aber läuft hier Weihnachtsmusik aller Stilrichtungen.

Und Ihr 14 Jahre alter Sohn Paul? Oder anders gefragt: Was passiert im Hause Rümann, wenn Heavy Metall durch die Wände dröhnt?

Christina Rümann: Mein Sohn spielt mir regelmäßig die neuesten Hits vor, damit ich wenigstens ein bisschen mitkriege, was die „Jugend von heute“ so hört. Allerdings ist sein Musikgeschmack insgesamt breit gefächert, sodass hier von Måneskin bis Frank Sinatra eigentlich alles läuft.

Und was antworten Sie Menschen, die von sich sagen: „Ich kann aber nicht singen.“

Christina Rümann: Ich glaube, dass die meisten Menschen einfach gar nicht mehr gewohnt sind zu singen. In früheren Zeiten wurde noch viel regelmäßiger in Schule und Gottesdienst gesungen. Die Ohren und Stimmbänder waren also trainierter. Heute singen die Kinder oft nur noch zu Playbacks oder Radioaufnahmen in viel zu tiefen Lagen, die hohe Lage (Kopfstimme) wird oft gar nicht genutzt. Das finde ich sehr bedauerlich. Wenn man sich unsicher ist, empfehle ich zum Einsteigen beim Singen von daher immer einen Chor, damit man sich an anderen Stimmen orientieren kann. Das klappt meistens gut, und mit der Zeit wird man dann so sicher, dass man auch mal solistisch etwas schafft. Ich habe bisher nur sehr wenige SängerInnen erlebt, die tatsächlich gar keinen Ton nachsingen können.

Interview: Martin Batzel
Foto: Jörg Müller







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