Freundschaften knüpfen und Zuspruch finden in regionalen HL-Clubs
Die Wurzeln der Altbürger und Freunde der Hermann-Lietz-Schule
Hermann Lietz hatte schnell erkannt, dass er für seine Schulen und seine pädagogischen Ideen eine Lobby braucht, die die staatlichen Schulen bereits in den Kommunen und Gebietskörperschaften fanden. Er initiierte 1911 einen Verein der Freunde der Hermann-Lietz-Schule, der die Heime fortan ideell und materiell unterstützte.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde dieser Verein erstaunlich schnell reaktiviert. Nicht zuletzt auch ein Verdienst von Dr. Wilhelm Zickfeld, dem langjährigen ehrenamtlichen Geschäftsführer des Vereins während des Krieges, der über seinen Schulbuchverlag in Osterwieck (Harz) der Lietz-Idee immer sehr verbunden war und dessen Vater bereits zu den ersten Mitgliedern des Vereins gehört hatte.
In Hamburg gründete sich durch das Engagement von Ulli Hischer und Peter Borkmann bereits am 19. März 1946 wieder der HL-Club Hamburg.
Wenig später entstand eine Reihe weiterer Clubs. So in Hannover (durch Jasper Röders), in Bremen (durch Richard Focken), in Braunschweig (Jochen Siegen), Berlin (Wolfgang Rauchbach) und München (durch Heimo Körner).
1947 luden die Hamburger zu einem überregionalen Treffen ein. Rund 200 Altbürger aus den drei Westzonen nahmen daran teil. Von einer unbeschreiblichen Stimmung berichten übereinstimmend die damaligen Teilnehmer der Dampferfahrt auf der Elbe. Und daran hatte die damals sehr bekannte Sängerin Maria Kloth nicht unbeträchtlichen Anteil.
Am 4. Januar 1947 gründete sich der HL-Club Hannover. Man traf sich in den damaligen Uni-Stuben des Altbürgers Kurt Uihlein. Schon im Mai des gleichen Jahres gab es in Hannover ein gut besuchtes überregionales Treffen, an dem auch Altlandheimer anderer LEHs und Vertreter der Freien Waldorfschule Hannover teilnahmen.
1948 zu Pfingsten trafen sich dann die Vorsitzenden der damals existierenden HL-Clubs auf Einladung von Volkmar von Richthofen auf Bieberstein. Man beschloss die Gründung eines Dachverbandes aller HL-Clubs und wählte Dr. Alex Zollmann zum Vorsitzenden.
Parallel begann ein Arbeitsausschuss mit Peter Borkmann, Gustav Emmerling, Heimo Körner und Wolfgang Rauchbach mit den Vorarbeiten, um den Verein der Freunde wiederzugründen. Eine Riesenarbeit war das Sammeln der Anschriften der Altbürger und der potentiellen neuen Mitglieder. Ein Büro auf Bieberstein wurde dafür eingerichtet; Gerhard Loch, der Schwiegersohn des früheren Heimleiters von Etterburg, Franz Windweh, übernahm dort diese spezielle Aufgabe und wurde dann später auch der erste Geschäftsführer des Vereins.
1949 war man dann endlich soweit. Anderthalb Jahre nach dem ersten Treffen der Clubvorsitzenden fand am 3. und 4. Dezember in Hannover die erste Mitgliederversammlung nach dem Kriege statt. In LEBEN & ARBEIT 1/1950 gibt es eine ausführliche Darstellung. „Ludz“ Ludwig-Gustav Wilkening wurde zum Vorsitzenden gewählt. 15 Jahre lang führte er dann mit großem Erfolg den Verein. Zu dieser Zeit wurde bereits das alljährliche Altbürgertreffen eingeführt.
Als Gerhard Loch kurz nach der Wiedergründung des Vereins, der sich ab jetzt Altbürger und Freunde der Hermann-Lietz-Schule e.V. nannte, in das Innenministerium nach Wiesbaden berufen wurde, übernahm Walter Lüdde-Neurath das Amt des Geschäftsführers.
Die HL-Clubs heute
Die örtlichen Zusammenschlüsse wurden in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg gerne angenommen. Persönliche Bindungen waren abgerissen, viele konnten nicht mehr in ihr früheres berufliches Umfeld zurück und nicht wenige waren heimatlos geworden. Die Dankbarkeit war groß, einen Kreis verlässlicher Menschen zu finden, wieder Freundschaften knüpfen zu können und manchmal auch Zuspruch und Hilfe zu erhalten. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte ging die Attraktivität der HL-Clubs vielerorts verloren. Es war fast nirgends gelungen, die Clubs als lebendige Gemeinschaft zu erhalten. Allzu oft waren sie nur noch Begegnungsstätten für schöne Erinnerungen, die aber für die nachrückenden Generationen zu wenig Anregungen zu bieten schienen.
Der Club Rhein-Main ist einer der ältesten überhaupt. Herbert Melchior führte ihn als erster Vorsitzender bis 1934. Gustav Emmerling gründete ihn 1945 neu. „Manchmal kommt mir die Heimzeit wie eine Kur vor und der Rest des Lebens wie eine erfolgreiche Nachkur! Das gilt besonders für alle, die nach dem Verlassen der Hermann-Lietz-Schule Kontakt zu anderen Altbürgern finden konnten“. Gustav Emmerling schrieb das im Winter 1997. Und so hat der agile und temperamentvolle 85-Jährige nicht nur – wie bereits erwähnt – 1945 den Club Rhein-Main aus der Taufe gehoben und jahrelang geführt, sondern 1986 zusammen mit Wolfgang Bilhuber, Uly Bywater und Uli-Müller-Herold den Schweizer HL-Club gegründet. Und seither organisiert er alljährlich ein Altbürgertreffen, das weit über die Grenzen hinaus bekannt geworden ist und stets auch von etlichen ‚Nachbarn‘ aus Deutschland besucht wird. Der Grund ist schlicht und einfach: Gustav Emmerling findet immer etwas Ausgefallenes: Ein wunderschönes Fleckchen Erde und immer auch ein interessantes Leitthema.
„Das Finden von guten Freunden, ein Netz der Freundschaft“ sei nach einer von ihm durchgeführten Erhebung bei jungen Menschen das wichtigste Ziel ihrer Lebensplanung, sagte der Münchener Professor Dr. Heiner Keupp in einem Vortrag. Die Altbürger und Freunde bieten solch ein Netz der Freundschaft!
Quelle: Hermann Lietz-Schulen. Die ersten 100 Jahre. Kassel 1998. Seiten 48-55.